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Geleitwort des Kirchenpräsidenten

epdVolker JungVolker Jung

Vor einiger Zeit hat die Evangelische Jugend unserer Kirche angeregt und gefordert, dass wir uns als Kirche intensiver mit der Situation transsexueller Menschen beschäftigen. Sie hat uns zu Recht auf unseren eigenen Anspruch hingewiesen. Als Kirche möchten wir, dass alle Menschen ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht am Leben unserer Kirche teilnehmen können. Deshalb ist geschlechtliche Vielfalt eine Herausforderung für kirchliches und kirchenleitendes Handeln. Dabei geht es zunächst erst einmal darum, geschlechtliche Vielfalt wahrzunehmen. Das bedeutet für viele ein Umdenken. Wahrnehmung geschlechtlicher Vielfalt verlangt, den Horizont zu öffnen. Es ist nötig, eigene Denkmuster zu überprüfen.

In Deutschland leben aktuellen Schätzungen zufolge mehr als 100.000 transsexuelle Menschen. Wie werden sie wahrgenommen und was erleben sie? Christinnen und Christen haben den Auftrag, besonders für diejenigen aufmerksam zu sein, die an den Rand gedrängt werden. Aber erleben transsexuelle Menschen in Kirche und Gemeinde, dass sie wirklich akzeptiert werden? Dazu gehört, sich klarzumachen: Es gibt Menschen, die sich zwischen oder jenseits eines zweigeschlechtlich definierten Lebens befinden. Nicht, weil sie sich dies ausgesucht oder weil sie entschieden hätten, so zu leben, sondern weil sie so sind. Das gehört zu der Vielfalt, in der Gott uns geschaffen hat. Wer das bejaht, kann dazu beitragen, Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung zu beenden.

EKHN/PfaulMit Hand geschrieben: "Geschlechtliche Vielfalt"

Ich bin überzeugt: Hier dürfen wir nicht hinter dem Anspruch zurückbleiben, aus der Kraft des Evangeliums heraus Menschen zu helfen, ein Leben in Würde und Freiheit zu führen. Menschliche Vielfalt und Verschiedenheit als Gabe und Herausforderung anzunehmen, kann darüber hinaus Kirche und Gesellschaft bereichern. Indem ein Prozess des wechselseitigen Verstehens in Gang gesetzt wird, wird eine wertschätzende und fruchtbare Begegnung mit Menschen und deren Lebensgeschichten möglich. Das kann dazu beitragen, auch das eigene Leben besser zu verstehen und zu leben.

Zu all dem ist es nötig, menschliche Erfahrungen wahrzunehmen. Es braucht Aufklärung und Information über wissenschaftliche Erkenntnisse. Und es braucht theologische Reflexion. Aus diesen Gründen hat sich die Kirchenleitung entschieden, eine Fachgruppe „Gendergerechtigkeit“ einzurichten. Sie hat diese Handreichung erarbeitet, die Sie in Händen halten. Der Text gibt bewusst vielen ungewohnten, vielleicht auf den ersten Blick auch irritierenden persönlichen Erfahrungen Raum. Die Erfahrungen werden in den Zusammenhang von Informationen über wissenschaftliche Erkenntnisse gestellt. Theologische, rechtliche und praktische Fragen werden aufgezeigt und diskutiert. Die Kirchenleitung dankt der Fachgruppe für die intensive Arbeit und den vorliegenden Text. Sie gibt diesen Text der Fachgruppe in der Hoffnung heraus, dass damit gute Diskussionen zum Thema Transsexualität in Kirche und Gesellschaft angestoßen und geführt werden. Möge diese Handreichung vor allem dazu beitragen, dass transsexuelle Menschen sagen können: Ich bin gerne in meiner Kirche.

Dr. Dr. h.c. Volker Jung

Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

EKHN/PfaulGruppe von Menschen, gezeichnet.
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