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Abschnitt 3. Mitverantwortung der Gesamtkirche

Unterabschnitt 1. Aufsichtspflichten von Dekanat und Gesamtkirche

§ 48. Beanstandung und Anordnungsbefugnis.

(1) Werden dem Dekanatssynodalvorstand oder der Kirchenleitung rechtswidrige Beschlüsse oder Maßnahmen des Kirchenvorstands bekannt, so beanstanden sie diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Sie können Wahlen beanstanden, wenn diese rechtswidrig sind. Beanstandete Beschlüsse, Wahlen oder sonstige Maßnahmen dürfen nicht vollzogen oder müssen auf Verlangen rückgängig gemacht werden.

(2) Kommt der Kirchenvorstand innerhalb einer hierfür gesetzten Frist einer Anordnung nach Absatz 1 nicht nach, können der Dekanatssynodalvorstand oder die Kirchenleitung im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit beanstandete Beschlüsse oder Maßnahmen auf Kosten der Kirchengemeinde von Amts wegen aufheben oder rückgängig machen.

Kommentar zu § 48:

1. Die Regelung resultiert aus der umfassenden Aufsicht von Kirchenleitung in Artikel 47 Absatz 1 Nummer 12 KO und Dekanatssynodalvorstand in Artikel 25 Absatz 2 Nummer 4 KO. Die Aufsicht umfasst sowohl die Rechts- als auch die Fachaufsicht. Sie erstreckt sich damit nicht nur auf die Prüfung, ob die Kirchengemeinde sich innerhalb der rechtlichen Spielräume bewegt, sondern beinhaltet auch die Frage, ob der Kirchenvorstand inhaltlich sinnvoll im Interesse der Kirchengemeinde gehandelt hat.

2. In Absatz 1 ist für die Kirchenleitung und den Dekanatssynodalvorstand im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Möglichkeit vorgesehen, selbst rechtswidrige Beschlüsse und Maßnahmen des Kirchenvorstands zu beanstanden, wenn diese in krassem Maß gegen übergeordnete kirchliche Interessen verstoßen. Im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse haben beide Organisationsebenen daher die Möglichkeit, über Kirchenvorstandsbeschlüsse nicht nur durch Genehmigung oder im Rahmen der Entscheidung über Rechtsbehelfe zu entscheiden, sondern selbst aktiv tätig zu werden. Allerdings sind die Handlungsmöglichkeiten beschränkt auf Kirchenvorstandsbeschlüsse, die geltendes Recht verletzen oder gegen übergeordnete kirchliche Interessen verstoßen, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei den aufsichtführenden Stellen liegt. Dabei ist das Vorliegen eines Rechtsverstoßes oder eines übergeordneten kirchlichen Interesses in vollem Umfang kirchengerichtlich überprüfbar. Ein einfacher Durchgriff von Dekanat oder Kirchenleitung ist daher im Einklang mit Artikel 11 Absatz 1 KO ausgeschlossen.

3. Beanstandete Maßnahmen dürfen nicht vollzogen, bereits getroffene Maßnahmen müssen auf Verlangen rückgängig gemacht werden.

4.Für Wahlen ist erstmals eine Eingriffsmöglichkeit explizit aufgenommen worden, die einem praktischen Bedürfnis entspricht, da für den Kirchenvorstand außerhalb der KGWO keine eigene Wahlprüfung normiert ist und daher in der Praxis unklar war, wer nach welchem Verfahren ungültige Wahlen während der Amtsperiode aufheben kann.

5. Während Absatz 1 davon ausgeht, dass der Kirchenvorstand einer Beanstandung Folge leistet, sieht Absatz 2 im Konfliktfall vor, dass Kirchenleitung und Dekanatssynodalvorstand im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit beanstandete Maßnahmen auf Kosten der Kirchengemeinde auch von Amts wegen aufheben oder rückgängig machen können.

6. Diese Regelungen gelten selbstverständlich auch für Beschlüsse und Wahlen beschließender Ausschüsse oder für beschließende Organe von Einrichtungen der Kirchengemeinde nach § 9 KGO sowie für Liegenschafts- und Finanzbeauftragte.

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