Abschnitt 2. Der Kirchenvorstand
Unterabschnitt 2. Zusammensetzung und Vorsitz
§ 28. Verhinderung in Vorsitz oder Stellvertretung.
(1) Ist die Pfarrerin oder der Pfarrer, die oder der den Vorsitz führt, vorübergehend verhindert, so übernimmt die gewählte Stellvertretung den Vorsitz.
(2) Wird eine Pfarrerin oder ein Pfarrer nach Artikel 28 Absatz 2 Nummer 6 der Kirchenordnung mit einer Vertretung wegen Vakanz, Krankheit oder anderweitiger Verhinderung beauftragt, übernimmt sie oder er als beauftragte Vertreterin oder beauftragter Vertreter im Pfarramt auch die Stellvertretung der oder des Vorsitzenden im Kirchenvorstand. Ein als stellvertretende Vorsitzende oder stellvertretender Vorsitzender gewähltes Gemeindemitglied übernimmt währenddessen den Kirchenvorstandsvorsitz. Der Kirchenvorstand kann im Einvernehmen mit dem Dekanatssynodalvorstand eine davon abweichende Regelung über den Vorsitz und Stellvertretung treffen.
Kommentar zu § 28
1. Ist ein in den Vorsitz gewähltes Gemeindemitglied vorübergehend am Vorsitz gehindert, nimmt der Pfarrer oder die Pfarrerin in der Stellvertretung die Aufgaben des oder der Vorsitzenden wahr.
2. Ist eine Pfarrerin oder ein Pfarrer, die oder der in den Kirchenvorstandsvorsitz gewählt wurde, vorübergehend verhindert, werden die Aufgaben der oder des Kirchenvorstandsvorsitzenden von der oder dem ehrenamtlichen stellvertretenden Vorsitzenden wahrgenommen. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Pfarrer oder Pfarrerinnen in der Kirchengemeinde tätig sind. Wie aus § 25 Absatz 1 KGO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass erst ab einer Abwesenheitszeit ab zwei Monaten durch die Dekanin oder den Dekan eine Pfarrerin oder ein Pfarrer mit der Vertretung beauftragt wird. Abwesenheitszeiten bis zu zwei Monaten sind daher als vorübergehend anzusehen und durch stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende zu vertreten.
Die Urlaubsvertretung für Gottesdienste und Kasualien wird von den Pfarrerinnen und Pfarrern im Dekanat kollegial und ohne zusätzliche Vergütung wahrgenommen; weitergehende Aufgaben werden in einer Urlaubsvertretung nicht übernommen. Diese Regelungen gelten auch für Elternzeitvertretungen bis zu zwei Monaten. Vertretungszeiten von mehr als zwei Monaten sind durch die Dekanin oder den Dekan gesondert zu regeln.
3. Bei Vakanzen und bei Ausfallzeiten der Pfarrerin oder des Pfarrers von
mehr als zwei Monaten, beispielsweise durch Elternzeiten, dreimonatige
Studienurlaube oder bei längeren Krankheitsfällen, betraut der Dekan oder die
Dekanin nach Artikel 28 Absatz 2 Nr. 6 KO eine Pfarrerin oder einen Pfarrer mit der
Vertretung. Dann regelt § 28 Absatz 2 grundsätzlich, dass diese Pfarrerin oder
dieser Pfarrer automatisch und sofort auch den stellvertretenden Vorsitz im
Kirchenvorstand übernimmt, auch wenn die vertretene Pfarrerin oder der vertretene
Pfarrer den Vorsitz inne hatte. Ein Gemeindemitglied, das in den stellvertretenden Kirchenvorstandsvorsitz gewählt wurde, übernimmt für diese Zeit automatisch den Kirchenvorstandsvorsitz. Dadurch wird erreicht, dass bei längeren Abwesenheiten von Pfarrerinnen und Pfarrern sowohl der Vorsitz als auch der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitz wahrgenommen werden und zwei siegelführungsberechtigte Personen für die Rechtsvertretung der Kirchengemeinde nach außen und die Fortführung der Geschäfte des Kirchenvorstands zur Verfügung stehen.
Der Kirchenvorstand kann ausnahmsweise beschließen, dass die Pfarrerin oder der Pfarrer, die oder der die Vertretung übernimmt, die Position des Kirchenvorstandsvorsitzes übernimmt, weil beispielsweise das Dekanat Springerstellen eingerichtet hat oder in der Kirchengemeinde mehrere Gemeindepfarrerinnen oder –pfarrer tätig sind, die auch die Aufgaben des Kirchenvorstandsvorsitzes übernehmen können. Hierfür bedarf es jedoch des Einvernehmens mit dem zuständigen Dekanatssynodalvorstand. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Pfarrerinnen und Pfarrer Vertretungsdienste in anderen Kirchengemeinden auch tatsächlich erfüllen können.
4. Bestimmt die Dekanin oder der Dekan für den pfarramtlichen Bereich bei Ausfallzeiten und Vakanzen von mehr als zwei Monaten nach Artikel 28 Absatz 2 Nr. 6 KO eine Pfarrerin oder einen Pfarrer, die oder der die Vertretung im Pfarramt wahrnimmt, sind die Aufgaben im Pfarramt in Artikel 15 Absatz 1 KO beschrieben. Sie umfassen die öffentliche Wortverkündigung, die Vornahme der Amtshandlungen sowie die Wahrnehmung von Seelsorge und Unterweisung, d.h. Religionsunterricht und Konfirmationsunterricht.
Zum Verantwortungsbereich der für die Aufgaben im Pfarramt verantwortlichen Pfarrerin oder des verantwortlichen Pfarrers gehört auch die Zuständigkeit für die pfarramtliche Verwaltung, d.h. für Kirchenbuch, Pfarrchronik und Beurkundungswesen.
Wird die gemeindliche Verwaltung nicht durch ehrenamtliche Vorsitzende wahrgenommen, ist auch die Verantwortung für die gemeindliche Verwaltung von der Vakanz - oder Abwesenheitsvertretung wahrzunehmen.
Die Dekanin oder der Dekan kann auch festlegen, dass bestimmte pfarramtliche Aufgaben auf weitere Pfarrerinnen und Pfarrer verteilt werden, die dann zur Mithilfe in die Gemeinde tätig werden. Möglich ist auch der Einsatz von Prädikantinnen und Prädikanten für die Übernahme von Gottesdiensten oder Amtshandlungen sowie von Lektorinnen und Lektoren. Die Funktion der beauftragten Vakanz- oder Abwesenheitsvertreterin bzw. des beauftragten Vakanz- oder Abwesenheitsvertreters als verantwortliche Ansprechperson im Gemeindepfarramt bleibt aber immer erhalten. Dies schließt auch die Weisungsbefugnis für kirchengemeindliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Siegelführungsbefugnis ein.
5. Sind beide Personen in Vorsitz und Stellvertretung verhindert, ist der Kirchenvorstand rechtlich praktisch handlungsunfähig. Ordnungsgemäße Kirchenvorstandssitzungen können weder anberaumt noch durchgeführt werden. Ist im Notfall eine Vertretung der Kirchengemeinde nach außen notwendig, muss der Dekanatssynodalvorstand als „Notkirchenvorstand“ entsprechend § 52a KGO einspringen. Wenn keine generelle Delegation der Anordnungsbefugnis für Kassenanordnungen z. B. an Finanzbeauftragte durch Beschluss vorgesehen ist, sollte der Kirchenvorstand im Vorfeld einer absehbaren Abwesenheit für die Dauer der Verhinderung ein Mitglied im Kirchenvorstand benennen, das ausnahmsweise die Erstunterschrift leistet.
6. Ist der Kirchenvorstand zahlenmäßig noch beschlussfähig, aber ohne Vorsitzende oder Vorsitzenden und ohne Stellvertretung, bleiben alle Kirchenvorstandsmitglieder im Amt. Entsprechend des Grundsatzes des mildesten Eingriffs in die Rechte des Kirchenvorstands ist zunächst zu prüfen, ob eine Pfarrerin oder ein Pfarrer als Krankheits- oder Vakanzvertretung eingesetzt werden kann. Diese Pfarrperson würde dann auch den stellvertretenden Vorsitz übernehmen. Ist dies nicht möglich, weil sich die Pfarrerin oder der Pfarrer beispielsweise (nur) in einem, längeren Urlaub befindet, übernimmt der Dekanatssynodalvorstand (nur) die in § 38 KGO festgelegten Geschäftsführungsaufgaben. In der Praxis kann der Dekanatssynodalvorstand eins seiner Mitglieder beauftragen, diese Geschäftsführungsaufgaben im Kirchenvorstand wahrzunehmen, bis der Kirchenvorstand wieder eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertretung hat. Beauftragte des Dekanatssynodalvorstands werden allerdings nicht Mitglied des Kirchenvorstands, sondern begleiten den Kirchenvorstand lediglich.