Abschnitt 2. Der Kirchenvorstand
Unterabschnitt 1. Aufgaben
§ 22. Vertretung im Rechtsverkehr.
(1) Der Kirchenvorstand vertritt die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr. Die gesamtkirchlichen Vorschriften über die treuhänderische Verwaltung des Pfarreivermögens bleiben unberührt.
(2) Erklärungen des Kirchenvorstands werden durch zwei Mitglieder des Kirchenvorstands abgegeben. Unter diesen muss die oder der Vorsitzende oder die Stellvertreterin oder der Stellvertreter sein.
(3) Urkunden über Rechtsgeschäfte, durch die die Kirchengemeinde gegenüber Dritten verpflichtet wird, sowie Vollmachten bedürfen der Unterzeichnung durch zwei Mitglieder des Kirchenvorstands, unter denen die oder der Vorsitzende oder die Stellvertreterin oder der Stellvertreter sein muss. Urkunden und Vollmachten sind mit dem Dienstsiegel zu versehen; dies gilt nicht bei gerichtlichen und notariellen Beurkundungen.
(4) Ist eine kirchenaufsichtliche Genehmigung vorgeschrieben, so wird die Erklärung erst mit Erteilung der Genehmigung wirksam.
(5) Die besonderen Vorschriften für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen bleiben unberührt.
Kommentar zu § 22:
1. Der Kirchenvorstand ist als Leitungsorgan der Kirchengemeinde auch zur Rechtsvertretung nach außen befugt. Er entscheidet im Regelfall durch Beschlüsse, welche Erklärungen der Kirchenvorstand für die Kirchengemeinde nach außen abgibt oder delegiert festgelegte Entscheidungsbefugnisse auf Beauftragte oder Ausschüsse.
2. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn eine Kirchengemeinde sich für ihr Pfarreivermögen der Zentralen Pfarreivermögensverwaltung angeschlossen hat. In diesem Fall erfolgt die Grundstücksverwaltung treuhänderisch durch die Organe der Zentralen Vermögensverwaltung.
3. Für Erklärungen des Kirchenvorstands im Rechtsverkehr gilt das Vier-Augen-Prinzip und die Wahrung der herausgehobenen Verantwortung von Kirchenvorstandsvorsitzenden und ihren Stellvertretungen. Deshalb müssen Erklärungen immer unter Mitwirkung der oder des Vorsitzenden oder ihrer oder seiner Stellvertretung erfolgen. Möglich ist auch, dass die oder der Vorsitzende Erklärungen gemeinsam mit ihrer oder seiner Stellvertretung abgibt.
4. Sind weder die oder der Vorsitzende noch ihre oder seine Stellvertretung zur Abgabe von Erklärungen in der Lage, sind Erklärungen für die Kirchengemeinde im Notfall durch den Dekanatssynodalvorstand abzugeben.
5. Auch für Urkunden und Vollmachten gilt die Regelung, dass zwei Unterschriften notwendig sind. Auch hier müssen die oder der Vorsitzende oder ihre oder seine Stellvertretung unterschreiben.
Diese Regelung ist immer dann bedeutsam, wenn der Kirchenvorstand durch eine Geschäftsordnung beispielsweise eine Beauftragte oder einen Beauftragten oder eine Ausschussvorsitzende oder einen Ausschussvorsitzenden auch mit der alleinigen Außenvertretung der Kirchengemeinde beauftragt oder in der Dienstanweisung von Mitarbeitenden auch festlegt, dass sie für die Kirchengemeinde nach außen handeln dürfen, beispielsweise die Gemeindesekretärin Büromaterial oder die Leiterin einer Kindertagesstätte Spielmaterial bestellen darf und hierfür eine ausdrückliche schriftliche Vollmacht erforderlich wird.
6. Urkunden und Vollmachten sind mit dem Dienstsiegel der Kirchengemeinde zu versehen. Nach der Siegelordnung der EKHN können Vorsitzende des Kirchenvorstands und Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer ein Siegel für die Kirchengemeinde erhalten. Nehmen Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer auch den Kirchenvorstandsvorsitz wahr, müssen sie erforderlichenfalls eine Urkunde sowohl unterschreiben als auch siegeln. Eine selbstverständliche Ausnahme von der Siegelungspflicht besteht für gerichtliche oder notarielle Beurkundungen, da hier das Gericht oder der Notar oder die Notarin die Urkunden siegelt und damit die Richtigkeit der Urkunde bestätigt.
7. Für viele Erklärungen des Kirchenvorstands ist eine kirchenaufsichtliche Genehmigung vorgeschrieben. Diese wird im Regelfall von der Kirchenverwaltung erteilt, Genehmigungsbefugnisse haben aber auch die Regionalverwaltungen und das Zentrum Bildung für Angelegenheiten der Kindertagesstätten.
Solange notwendige kirchenaufsichtliche Genehmigungen nicht erteilt wurden, können die Erklärungen nicht wirksam für die Kirchengemeinde abgegeben werden. Ist für Erklärungen eine kirchenaufsichtliche Genehmigung vorgeschrieben, werden diese Erklärungen erst mit Erteilung der Genehmigung wirksam. Solange notwendige kirchenaufsichtliche Genehmigungen nicht erteilt wurden, können Erklärungen, die für die Kirchengemeinde abgegeben wurden, keine Rechtswirksamkeit für diese entfalten. Derartige Beschlüsse sind in der Zeitspanne zwischen Beschlussfassung und Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam und werden mit der Erteilung rückwirkend zum Zeitpunkt der Beschlussfassung wirksam. Dies ist auch für kirchliche öffentlich-rechtliche Körperschaften von der staatlichen Rechtsprechung anerkannt. Wird die Genehmigung rechtskräftig versagt, ist der genehmigungspflichtige Beschluss nichtig und kann keinerlei Rechtswirkung für die Kirchengemeinde entfalten.
Nach staatlicher Rechtsprechung können sich auch Vertragspartner nicht darauf berufen, dass ihnen eine Genehmigungspflicht der Kirchengemeinde nicht bekannt gewesen sei.
Gibt der Kirchenvorstand derartige Erklärungen dennoch ohne kirchenaufsichtliche Genehmigung ab, haftet das entsprechende Kirchenvorstandsmitglied nach gefestigter Rechtsprechung der staatlichen Gerichte daher persönlich als sog. Vertreter ohne Vertretungsmacht (vgl. auch § 47 KGO).