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Abschnitt 2. Der Kirchenvorstand

Unterabschnitt 1. Aufgaben

§ 16. Leitung der Kirchengemeinde.

(1) Der Auftrag des Kirchenvorstands, die Kirchengemeinde zu leiten, verpflichtet ihn, das christliche Leben in der Kirchengemeinde in jeder Hinsicht zu fördern und für ihre Einheit zu sorgen.

(2) Der Kirchenvorstand hat darauf zu achten, dass die missionarische Verantwortung und die Sendung der Kirche in seinem Verantwortungsbereich zum Ausdruck kommen. Dies geschieht im Blick auf die jeweiligen Erfordernisse der Kirchengemeinde insbesondere, indem

1. regelmäßige Gottesdienste gefeiert, die Kirchenmusik und das geistliche Leben in der Kirchengemeinde gepflegt werden,
2. in unterschiedlichen Formen Seelsorge geübt wird,
3. religiöse Bildung für alle Altersgruppen ermöglicht wird, insbesondere im Zusammenhang der Taufe und der Konfirmation,
4. diakonische Aufgaben und die gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen werden,
5. ökumenische Zusammenarbeit gefördert, das Zusammenleben mit anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften gestaltet und das Gespräch mit Menschen anderer Religion und Kultur gesucht wird. Die Kirchengemeinden können sich dabei ergänzen und besondere Profile entwickeln.

(3) Der Kirchenvorstand wählt die Pfarrerin oder den Pfarrer im Fall des Wahlrechts der Kirchengemeinde und wirkt in den übrigen Fällen der Pfarrstellenbesetzung mit. Die Regelungen des Pfarrstellengesetzes bleiben unberührt.

(4) Der Kirchenvorstand sucht, beauftragt und fördert geeignete Personen für die ehrenamtliche Übernahme von Aufgaben in allen Bereichen des Gemeindelebens im Rahmen der gesamtkirchlichen Vorschriften. Er kann ehrenamtlich Mitarbeitenden die Beauftragung im Interesse der Kirchengemeinde entziehen.

(5) Zur regelmäßigen Mithilfe in der freien Wortverkündigung können andere als Pfarrerinnen oder Pfarrer oder Pfarrdiakoninnen oder Pfarrdiakone nur eingesetzt werden, wenn darüber Einvernehmen zwischen Kirchenvorstand und Pfarrerin oder Pfarrer besteht und den Betreffenden gemäß dem Prädikanten- und Lektorengesetz eine Beauftragung und ein Dienstauftrag durch die Kirchenleitung erteilt ist. Die gelegentliche Heranziehung einer oder eines Nichtbevollmächtigten zum Predigtdienst bedarf der Zustimmung des Kirchenvorstands. Sie soll bei einer oder einem Auswärtigen nur im Einverständnis mit der Dekanin oder dem Dekan gegeben werden.

(6) Der Kirchenvorstand ist für die Auswahl von geeigneten neben- und hauptberuflich Mitarbeitenden verantwortlich.

(7) Der Kirchenvorstand lädt insbesondere die ehrenamtlich, haupt- und nebenberuflich Mitarbeitenden mit Leitungsfunktionen mindestens einmal im Jahr ein, um mit ihnen die Gemeindearbeit abzustimmen, zu beraten und weiterzuentwickeln (Kreis der Mitarbeitenden).

(8) Der Kirchenvorstand trägt dafür Sorge, dass die Kirchengemeinde mit anderen Kirchengemeinden, diakonischen Einrichtungen in der Region, dem Dekanat und der Regionalverwaltung sowie der Kirchenverwaltung, den Zentren und anderen gesamtkirchlichen Einrichtungen zusammenarbeitet.

Kommentar zu § 16:

1. Im Kirchenvorstand haben nach Artikel 13 Absatz 1 KO Gemeindemitglieder und Pfarrerinnen und Pfarrer gemeinsam den grundsätzlichen Auftrag, als einziges und generell zuständiges Leitungsorgan die Gemeinde geistlich und rechtlich zu leiten, das Gemeindeleben in jeder Hinsicht zu fördern sowie für die Einheit der Kirchengemeinde zu sorgen.

2. Die demokratische Kultur gehört zur Kultur des Protestantismus in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. In diesem Verständnis der Gleichheit aller Menschen hat sich in der EKHN die Überzeugung herausgebildet, dass die angemessene Form der Kirchenleitung nur geschwisterlich sein kann. In einer Kirche, in der alle von gleichem Wert und gleicher Würde sind, auch wenn sie unterschiedliche Funktionen ausüben, geschieht die Leitung in der Kirche in presbyterial-synodaler Weise. Dieses Leitungsverständnis gilt auch für die Arbeit des Kirchenvorstands im Zusammenspiel mit der Gemeinde und den gemeindlichen Gruppen und Einrichtungen.

3. Die Wahrnehmung dieser Leitungsverantwortung kann besonders in Konfliktsituationen innerhalb der Gemeinde, innerhalb des Kirchenvorstands oder mit der Gemeindepfarrerin oder dem Gemeindepfarrer eine Herausforderung sein. Um Kirchenvorstände hier zu unterstützen, hat der Gesetzgeber eine Mitverantwortung des Dekanatssynodalvorstands und der Dekaninnen und Dekane als Dienstvorgesetzte der Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer vorgesehen. Bevor Konfliktsituationen eskalieren, gehört es daher zur Leitungsverantwortung, dass sich Kirchenvorstände vom Dekanatssynodalvorstand und der Dekanin oder dem Dekan beraten und unterstützen lassen.

4. Der Kirchenvorstand ist dafür verantwortlich, dass die fünf konstitutiven Handlungsfelder der EKHN (Verkündigung, geistliches Leben und Kirchenmusik; Seelsorge und Beratung; Bildung und Erziehung; gesellschaftliche Verantwortung und diakonisches Handeln sowie Ökumene) in der Arbeit der Kirchengemeinde abgebildet werden. Hierbei ist die Zusammenarbeit mit benachbarten Kirchengemeinden in Nachbarschaftsbereichen möglich und empfohlen.

5. Der Kirchenvorstand haftet für sein Verhalten gegenüber der Kirchengemeinde aber auch nach außen Dritten gegenüber. Der Kirchenvorstand haftet auch für das Verhalten seiner Ausschüsse nach § 44 KGO, seiner Beauftragten nach § 38 Absatz 2 KGO, seiner Einrichtungen nach § 9 KGO und seiner Mitarbeitenden. Eine persönliche Haftung ehrenamtlicher Kirchenvorstandsmitglieder kommt nur bei eigenem vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten in Betracht. Für Pfarrerinnen und Pfarrer regelt § 46 PfDG.EKD eine persönliche Haftung, wenn ihnen obliegende Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt werden und daraus einem Dritten ein Schaden entsteht, der vom Dienstherrn ersetzt werden muss. Die Gesamtkirche hat daher für alle wichtigen Bereiche Sammelversicherungen abgeschlossen, um Kirchengemeinden und einzelne Kirchenvorstandsmitglieder vor Haftungsansprüchen zu schützen.

Das Ehrenamt – Haftung, Schadensersatz und Rechtsschutz. Von Petra Zander. Aus: Handbuch Ehrenamt, 2012

6. Absatz 3 stellt fest, dass der Kirchenvorstand an der Auswahl der Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer beteiligt ist, was Artikel 13 Absatz 3 Nummer 6 KO bereits regelt. Die Regelung legt aber auch fest, dass das Pfarrstellengesetz als spezielleres Gesetz die Regelungen der KGO verdrängt, da es in den §§ 7 – 27 PfStG Spezialregelungen für das Verfahren zur Besetzung von Pfarrstellen enthält.

Das Recht der EKHN: Pfarrstellengesetz (Nr. 400)

7. Der Kirchenvorstand ist für die Gewinnung, Auswahl und Motivation ehrenamtlich tätiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Zudem ist für ehrenamtlich Mitarbeitende in Fortführung des § 4 Ehrenamtsgesetz eine Beauftragung vorgesehen. Im Konfliktfall kann diese Beauftragung vom Kirchenvorstand auch wieder entzogen werden.

Das Recht der EKHN, Ehrenamtsgesetz (Nr. 770)

8. Aufgrund seiner geistlichen Leitungsverantwortung entscheidet der Kirchenvorstand, welche Personen zur regelmäßigen Mithilfe in der freien Wortverkündigung zugelassen werden. Da hier mit dem Kanzelrecht auch der pfarramtliche Bereich der Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer nach Artikel 15 Absatz 1 KO berührt wird, ist hier das Einvernehmen mit der Gemeindepfarrerin oder dem Gemeindepfarrer notwendig, d. h. er oder sie muss zustimmen. Dies gilt sowohl für Personen, die aufgrund des Lektoren- und Prädikantengesetzes durch die Kirchenleitung in den Lektoren- oder Prädikantendienst berufen wurden, als auch für die gelegentliche Heranziehung von Nichtbevollmächtigten zum Predigtdienst. Bei Auswärtigen muss darüber hinaus auch das Einverständnis der Dekanin oder des Dekans eingeholt werden, wenn nicht ganz besondere Umstände, z. B. ein Eilfall, eine vorherige Information von Dekanin oder Dekan unmöglich machen.

9. Absatz 6 stellt klar, dass der Kirchenvorstand für die Auswahl der entgeltlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig ist. Er ist Dienstherr der bei der Kirchengemeinde angestellten Mitarbeitenden. Ihm als Organ obliegt die Wahrnehmung der Dienstaufsicht

10. Bei Personen, die für und in der Kirchengemeinde arbeiten, aber bei einem anderen kirchlichen Arbeitgeber angestellt sind, ist die Kirchengemeinde kein Dienstherr. Beispiele sind die beim Dekanat angestellten gemeindepädagogischen Mitarbeitenden oder die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aber z. B. auch die Gemeindesekretärin, die bei einer Kirchengemeinde angestellt ist aber mehrere Kirchengemeinden betreut. Regelmäßig haben die beteiligten Kirchengemeinden dann über die jeweiligen Dienstanweisungen genau geregelte Einflussmöglichkeiten auf den Dienst dieser Mitarbeitenden.

11. In Absatz 7 wird die bisherige Regelung des Mitarbeiterkreises teilweise übernommen. Der Schwerpunkt der Regelung liegt nunmehr auf einer deutlich offeneren Regelung regelmäßiger Abstimmungs- und Beratungsgespräche des Kirchenvorstands mit denjenigen, die durch ihre Mitarbeit die kirchengemeindliche Arbeit wesentlich mitgestalten.

12. Nach Artikel 16 KO soll keine Kirchengemeinde in Vereinzelung leben. Der Kirchenvorstand ist daher sowohl zur regionalen Zusammenarbeit als auch zur Zusammenarbeit mit dem Dekanat, der Regionalverwaltung, der Kirchenverwaltung, den Arbeitszentren und anderen kirchlichen Arbeitsstellen verpflichtet. Diese Regelung korrespondiert insbesondere mit den entsprechenden Regelungen im Kirchenverwaltungsgesetz, im Regionalverwaltungsgesetz, der Handlungsfelderverordnung und der DSO, die ihrerseits jeweils die Aufgaben für bzw. gegenüber den Kirchengemeinden festlegen, aber auch mit der Regelung zur Mitverantwortung von Dekanat und Gesamtkirche in den §§ 45-52a KGO, die alle die Einheit der EKHN sicherstellen sollen.

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