Abschnitt 1. Die Kirchengemeinde
Unterabschnitt 2. Die Gemeindemitglieder
§ 15. Ruhen der Rechte als Gemeindemitglied.
(1) Als Glieder am Leib Christi sind getaufte Mitglieder der Kirche berufen, das Evangelium in Wort und Tat in allen Lebenszusammenhängen zu gestalten. Der Kirchenvorstand soll zu dieser Berufung ermutigen, die auf der Zusage des neuen und ewigen Lebens in Christus beruht.
(2) Wenn ein Gemeindemitglied offensichtlich und beharrlich das Evangelium von Jesus Christus bekämpft oder verächtlich macht, so kann der Kirchenvorstand feststellen, dass dessen Rechte ruhen. Das Gemeindemitglied ist vorab durch den Kirchenvorstand zu hören.
(3) Aufgrund dieser Feststellung hat der Kirchenvorstand dem Gemeindemitglied mitzuteilen, dass kirchliche Amtshandlungen, das Wahlrecht sowie das Patenrecht von ihm nicht in Anspruch genommen werden können.
(4) Gleichzeitig soll das Gemeindemitglied auf die bleibende Zusage der Taufe hingewiesen werden. Der Anspruch auf die Teilnahme an Gottesdiensten, auf seelsorgliche Zuwendung und auf religiöse Bildung bleibt bestehen. Der Kirchenvorstand soll das Gemeindemitglied in seine Fürbitte einschließen.
(5) Die Feststellung nach Absatz 2 kann durch den Kirchenvorstand wieder aufgehoben werden, wenn das Gemeindemitglied dies beantragt und eine Änderung seiner Haltung zu erkennen gegeben hat.
Kommentar zu § 15:
1. Die Neuformulierung soll klarstellen, dass weder Kirchenvorstand noch Pfarrerinnen oder Pfarrer als moralische Instanz über den Lebenswandel der Gemeindemitglieder zu wachen haben. Deshalb sieht die Neuregelung nur noch die Möglichkeit vor, das Ruhen der Rechte als Gemeindemitglied festzustellen. Voraussetzung ist, dass das Gemeindemitglied offensichtlich und beharrlich das Evangelium von Jesus Christus bekämpft oder verächtlich macht. Unter dem Aspekt der Mitgliederorientierung wurde die Möglichkeit des Entzugs der Rechte als Gemeindemitglied nicht mehr aufgenommen.
2. Das Christentum ist seit seinen Anfängen eine öffentliche Religion, die sich aufgrund ihrer Glaubensüberzeugungen einmischen und Einfluss auf die Gesellschaft nehmen will. Kirchengemeinden sollen daher eine Möglichkeit haben, sich von Gemeindemitgliedern zu distanzieren, die öffentlich Positionen vertreten, die mit dem christlichen Glauben unvereinbar sind. Die Kirchen in Deutschland sind nach den historischen Erfahrungen des Nationalsozialismus zu der Erkenntnis gekommen, dass dies beispielsweise für rechtsextreme Positionen gilt. Rechtsextremismus widerspricht fundamental den christlichen Grundüberzeugungen und Maßstäben. Gemeindemitglieder, die öffentlich und beharrlich rechtsextremes Gedankengut mit seinen wesentlichen Elementen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus, Orientierung an autoritären Strukturen, Demokratie- und Pluralitätsabwertung und dem Bestreiten der Gleichheit aller Menschen vertreten, stellen sich in Widerspruch zum Evangelium, das die Vorstellung der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen enthält.
Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus
3. Stellt der Kirchenvorstand das Ruhen der Rechte durch Beschluss fest, verliert das Gemeindemitglied das Recht auf Teilhabe am Gemeindeleben nach § 14 KGO, auf die Vornahme von Amtshandlungen, das Patenrecht sowie das aktive und passive Wahlrecht. Damit würde das Gemeindemitglied auch aus allen kirchlichen Ämtern ausscheiden, in die es berufen oder gewählt wurde.
4. Das Verfahren und die Rechtsfolgen eines Ruhens der Rechte als Gemeindemitglied sowie die entsprechende Aufhebung sind neu geregelt. Bei einem Ruhen der Rechte wird das Gemeindemitglied damit nicht aus der Gemeinschaft der Kirchengemeinde ausgeschlossen. Der Kirchenvorstand soll auch mit diesen Gemeindemitgliedern im Gespräch bleiben, um die Möglichkeit einer Änderung des Gemeindemitglieds hin zu den christlichen Glaubensüberzeugungen offen zu halten. So nimmt der Kirchenvorstand auch hier seine Leitungsverantwortung wahr.